Eine Fahrt ins Grüne
Costa Rica – ein Reiseziel, über das ich irgendwann mal ein paar Zeilen gelesen, aber keine genauen Vorstellungen dazu hatte. Nachdem ein Virus die ganze Welt für viele Monate lahm gelegt hat, entschieden Harry und ich, dass es jetzt wieder an der Zeit wäre, über den europäischen Tellerrand zu blicken. Und da kam mir das kleine Land in Mittelamerika mit seiner atemberaubenden Natur wieder in den Sinn.
Ich öffne das Beifahrerfenster und die tropisch warme Feuchtigkeit verdrängt die bisher trockene, klimatisierte Luft in unseren SUV. Ich kann es mir einfach nicht verkneifen, stecke den Kopf hinaus und lasse mir wie ein Kind den Fahrtwind um die Ohren wehen. Zwei Tage sind wir nun schon in Costa Rica und obwohl wir gestern viele Stunden die Gegend um San José unsicher gemacht haben, staune ich auch heute noch über das üppig dichte Grün, durch das sich die Straße vor uns schlängelt. An manchen Stellen hat es den Anschein, dass die Ticos (so nennen sich die Costa Ricaner selbst) alle Hände voll zu tun haben, die wuchernde Natur daran zu hindern, den Highway wieder vollständig zu verschlucken.
Die meiste Zeit habe ich das Gefühl, als ob wir mitten durch einen riesigen „Bella Flora Laden“ fahren. Blätter in allen Formen und Größen, Blüten in satten Farben, Palmen, Bananenbäume und Monsteria, die sich an Bäumen meterhoch über unseren Köpfen empor ranken. Und zwischendrin wuchern die Heliconia Gewächse (auch Hummerscheren oder falsche Paradiesvogelblumen genannt) mit ihren auffallend rot, gelb und orangefarbenen Blüten wie Unkraut direkt am Straßenrand.
Mir ist bewusst, dass diese Farbenpracht, die wir jetzt erleben dürfen bei den heißen Temperaturen nicht das ganze Jahr über bestehen kann. Das war mitunter ein Grund, warum wir uns für eine Reise während der Regenzeit entschieden haben. Ich wollte unbedingt dieses unvorstellbare saftige Grün der Regenwälder in den Nationalparks kennen lernen, welches für mich das Flair Costa Ricas widerspiegelt. Ich hätte mir aber nie träumen lassen, dass mich diese Grüntöne selbst entlang der Hauptstraßen begleiten werden.
Schon am ersten Tag kamen bei Harry und mir erstmals Zweifel auf, ob es wirklich eine so gute Idee war, dass wir für unsere Rundreise mit dem Mietwagen die regenreichste Zeit zwischen September und Oktober gewählt hatten. Auf der Fahrt im Bereich des Vulkan Poás erlebten wir unseren ersten Regenschauer in Costa Rica. Wir hatten uns auf viel Regen eingestellt, aber das war dann doch nochmal eine Nummer heftiger als gedacht. 😯Ein sintflutartiger Wolkenbruch, der die bergab führende Straße in einen Fluss verwandelte und Treibholz und kleine Baumstämme auf die Fahrbahn spülte. Ein Auto wurde durch die Wassermassen in den Straßengraben gespült und der Verkehr kam für mehr als eine Stunde zum Erliegen. Zwei Dinge habe ich dabei über die Ticos schon am ersten Tag gelernt: 1. Gummistiefel sind nach den Flip Flops die Schuhe der Wahl in diesem Land und 2. ihre Gelassenheit ist nahezu in jeder Situation unerschütterlich.
Meine Highlights in
COSTA RICA
Alle wichtigen Infos zu den Schutzgebieten in Costa Rica findest du hier.
Ich bin Iris, Gründerin von Travel to Find. Hier dreht sich alles um das Unterwegs-Sein. Um Reisen voller unvergesslicher Momente, die man nicht suchen muss, sondern einfach findet. Und um das Leben selbst, das uns zustößt, während wir uns etwas völlig anderes vorgenommen haben.
Durch Zufall über Krokodile gestolpert
Der Regen hat in nahezu gleichbleibender Intensität die halbe Nacht angedauert, aber heute scheint seit der Früh weg die Sonne wieder, als ob nie etwas gewesen wäre. Wir haben unsere erste Unterkunft das Terminal Verde (mehr über all unsere Unterkünfte findest du hier), die für die ersten zwei Nächte nach der Ankunft perfekt gelegen war, hinter uns gelassen und sind nun auf dem Weg in Richtung Pazifikküste. Beim Überqueren eines großen Flusses bitte ich Harry anzuhalten, wohl zum hundertsten Mal auf dieser Fahrt, da ich von der Brücke aus ein paar Fotos schießen möchte. Der Fluss selbst ist braun und führt viel Wasser, aber was ich auf einer der Sandbänke entdecke, verschlägt mir glatt die Sprache.
Ein Krokodil! Unglaublich! Es ist zwar mit dem freien Auge nur schwer zu erkennen, aber die geliehene Kamera mit dem 83-fachen Zoom, ermöglicht es Harry, das schlafende Tier gut abzulichten. Aber das Genialste kommt jetzt noch. Wir gehen weiter über die Brücke und da entdecken wir direkt ein paar Meter unter uns ein weiteres Krokodil, dass in der Sonne vor sich hin döst. Und auf der gegenüberliegenden Seite der Brücke liegt gleich noch eines. Wie abgefahren ist dass denn?! Hinter uns donnern die Trucks vorbei, aber wir haben nur mehr Augen für die Tiere auf den Sandbänken.
Irgendwie weckt der Anblick dieser riesigen Reptilien einerseits meine Faszination und andererseits aber auch eine Art Urangst in mir. Die Vorstellung in einem kleinen Boot möglichst nahe an die fünf Meter großen Krokodile heranzufahren, wie es der Tourguide anpreist, der uns auf der Brücke anspricht, findet bei mir absolut keinen Anklang. Ich bin einfach nur dankbar, mich in sicherer Entfernung zu den Tieren zu befinden und sie in Ruhe beim Schlafen beobachten zu können.
Zurück im Auto schlagen wir im Reiseführer nach, was genau es mit dieser Brücke auf sich hat und erfahre, dass es sich um die bekannte „Krokodilbrücke am Río Tárcoles“ handelt. Hier hat sich eine Population amerikanischer Krokodile angesiedelt und eine Sichtung ist mit nahezu an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ganzjährig möglich. Warum sie genau die Sandbänke unter der Brücke bevorzugen, ist fraglich. Möglicherweise, füttern die Restaurants, die sich direkt an der Brücke befinden, die Krokodile mit Küchenabfälle an, um so mehr Touristen anzulocken. Die angebotenen Krokodiltouren entlang des Flusses sind beliebt bei Touristen. Wenn ich aber lese, dass manche der Guides mit den Tieren Kunststücke vorführen (und dabei auch schon mal die eine oder andere Gliedmaße verloren ging), dann ist das für mich ein absolutes No-Go und weit weg von der Art Tierbeobachtung, die ich unterstützen möchte.
Im Reiseführer steht außerdem, dass es ganz in der Nähe einen Nationalpark gibt, der direkt an den Fluss grenzt und der berühmt für die zweitgrößte Population Roter Aras in Costa Rica ist. Ein guter Grund, um diesen nun ganz spontan einen Besuch abzustatten.
Ein Guide der uns den Dschungel erklärt
Das Besucherzentrum des Nationalparks Carara befindet sich direkt an der Hauptstraße der Ruta 34, etwa drei Kilometer nach der Krokodilbrücke in südliche Richtung. Am Parkplatz stehen nur vier andere Fahrzeuge, es dürfte also nicht all zu viel los sein. Am Eingang spricht uns ein Guide an, der uns sofort sympathisch ist und wir nehmen sein Angebot einer privaten Führung an.
Schutzgebiete in Costa Rica
Bekannt für die üppige Vegetation, seine artenreiche Vogelwelt, und die zweitgrößten Population Roter Aras in ganz Costa Rica. Alles was du über das kleine Schutzgebiet wissen musst, findest du hier.
Die erste Tierbegegnung findet bereits auf dem Weg zum Toiletten-Häuschen statt. Dabei stolpere ich beinahe über einen riesigen Leguan, der ein Sonnenbad nimmt und nicht gewillt ist, sich von der Stelle zu bewegen. 15 Minuten später ist es dann so weit, wir betreten unseren allerersten Nationalpark in Costa Rica. 🤩
Zu Beginn bin ich etwas enttäuscht, da der Weg parallel zur Straße verläuft und der Verkehrslärm noch deutlich zu hören ist. Außerdem ist der Weg asphaltiert. Das Dschungel-Feeling habe ich mir doch etwas anders vorgestellt. Aber Jason, unser Guide, versteht es meine Aufmerksamkeit zu bannen und erzählt von der Entstehungsgeschichte und den Besonderheiten Cararas. Und schon wenige Minuten nach unserem Start baut er sein absolut geniales Swarovski Teleskop auf. Im Gebüsch vor uns ist ein Horde Affen unterwegs. Die meisten sind rasch wieder verschwunden, aber ein Jungtier hat an einem abgestorbenen Baumstamm Gefallen gefunden. Ich bin ganz aufgeregt. Es ist das erste Mal, dass ich Affen in freier Wildbahn sehen kann und so beobachte ich den kleinen Kapuzineraffen durch das Fernrohr ganz genau, wie er die faule Rinde vom Stamm ablöst, um an die Maden und Käfer darunter zu kommen. Kurz blickt er sogar neugierig schmatzend zu uns herab, bevor er sich weiter seiner Tätigkeit widmet.
Der Straßenlärm und der Asphalt unter meinen Schuhen ist vergessen und beim Weitergehen lenkt Jason unsere Aufmerksamkeit ständig auf viele kleine unscheinbare Dinge und weiß zu allem was zu berichten. Einmal orangefarbene Becherpilze am Wegesrand, dann Termitenbauten und -gänge an den Bäumen und ein anders Mal die Unmengen an Blattschneiderameisen, die mit den Pflanzenteilen zwischen den Mundwerkzeugen eine grüne Linie quer über unseren Weg bilden. Erst da wird mir bewusst, dass wir den asphaltierten Weg verlassen haben und immer weiter in den Dschungel vordringen. Auch von der Straße ist nichts mehr zu hören und die Geräuschkulisse des Urwaldes hat uns nun völlig eingeschlossen. Und das Grün! Genau so habe ich es mir vorgestellt.
Die Vegetation alleine lässt mich aus dem Staunen nicht mehr rauskommen. Es handelt sich hier um einen Primärwald, also um eine Urwald, in dem es bis jetzt keine Einflussnahme durch den Menschen gab. Die Dimensionen mancher Bäume sind unglaublich – Kapokbäume, die bis zu sagenhafte 70 Meter hoch werden, Brettwurzeln, die mich bei weitem überragen und Würgefeigen von gigantischem Ausmaß. Jason erklärt uns, dass durch Vogelkot die Samen dieser Ficus-Art auf die Äste verschiedener Wirtsbäume gelangen und von dort aus ihre Luftwurzeln Richtung Boden wachsen. Jahrzehnte lang umschlingen die Wurzeln den Baum immer mehr, wodurch dieser langsam abstirbt und ein Hohlraum in der Mitte zurückbleibt. Die bekannten Ficus-Bäume, in denen man im Inneren sogar nach oben klettern kann, sind nichts anderes als das Wurzelgeflecht einer solchen Würgefeige. Faszinierend!
Viele der Bäume sind übersäht mit hunderten Epiphyten. Das sind Aufsitzerpflanzen, die ihren Wirt nicht schädigen. Sie haben keine Wurzeln, sondern beziehen Nährstoffe und Wasser aus der Luft. Du kennst sie sicherlich. Diese kleinen Pflanzen, die auf Steine geklebt werden und als Glücksbringer an Silvester verschenkt werden. Ja genau, das sind Mini-Epiphyten. Nur die hier im Dschungel sind einfach riesig im Vergleich dazu. Kein Wunder bei dem feucht-warmen Klima.
Ich bin von der mich umgebenden Natur so gefesselt, dass ich kaum auf den Weg achte, der uns immer tiefer in den Urwald hinein führt. Auf einer Metallbrücke überqueren wir einen kleinen Fluss, der mitten durch das Grün verläuft und wie ein Tunnel vor uns liegt. Dahinter stehen die Pfade teilweise unter Wasser und sehen eher aus wie kleine Bäche. Kein Wunder also, dass Jason in diesem Bereich einen kleinen Pfeilgiftfrosch sichtet, vor dessen Giftigkeit er uns eindringlich warnt.
Immer wieder flattern Schmetterlinge mit leuchtenden Farben durch das Gebüsch. Am Auffälligsten sind die Männchen des Morphofalters mit den riesigen hellblauen Flügeln. Aber auch Unmengen an kleinen eher unscheinbaren Vögeln finden sich in den Büschen und Bäumen. Jason erzählt uns viel über die einzelnen Arten und dass der Carara Nationalpark besonders bei Ornithologen beliebt ist, da mehr als 400 verschiedene Vogelarten hier zu Hause sind. Rote Aras, für die der Park bekannt ist, bekommen wir hier nicht zu Gesicht, aber dafür sehen wir zwei von den insgesamt sechs Tukan Arten in Costa Rica, den Feuerschnabelarassari und den Swainson-Tukan. Und kurz vorm Ende unserer Rundtour entdeckt Jason auch noch einen Trogon, ein weniger farbenfroher Verwandter zu den berühmten Quetzals.
Auf den drei Rundwege, die durch diesen Teil des Parkes führen und alle ineinander über gehen, habe ich das Zeitgefühl völlig verloren. Erst als ich den Asphalt wieder unter meinen Füßen spüre, wird mir bewusst, dass die Rundtour nun bald ein Ende haben wird.
Dreieinhalb Stunden hat uns Jason durch den Carara Nationalpark geführt und er war der beste Guide, den wir uns wünschen konnten. Sein immenses Wissen über Flora und Fauna und der respektvolle Umgang mit der Natur hat uns schwer beeindruckt. Völlig erschöpft und durchgeschwitzt, aber absolut glücklich und dankbar für all die wunderbaren Erlebnisse setzen wir unseren Weg in Richtung Pazifikküste fort.
Und unglaublich aber wahr – an diesem späten Nachmittag sehen wir auf der Fahrt nach Quepos auch noch zwei der beeindruckenden Roten Aras. die über unsere Köpfe hinweg fliegen und hinter den nächsten bewaldeten Hügeln verschwinden.
Und so geht es weiter
Ein Tag, der ganz im Zeichen des Meeres steht. Von den Erlebnissen einer Whale Watching Tour, über den Badespaß an einem Traumstrand, bis hin zu den Tücken der Gezeiten ist alles dabei.