Baby-Schildkröten wir kommen!
Pling – pling – pling. Mein Handy erwacht heute Morgen zu neuem Leben. Acht Sprachnachrichten trudeln innerhalb weniger Minuten auf Whatsapp ein und ich komme mit dem Abhören gar nicht mehr hinterher. Es ist sieben Uhr früh und eigentlich sollte ich mir Gedanken darüber machen, was und wie ich für die heutige Reise zum Tortuguero Nationalpark einpacke. Das muss ich aber nun hintanstellen, denn meine Anfrage bei Ernesto, einem privaten Touranbieter in Tortuguero, wird gerade ausführlichst beantwortet. Zusammengefasst: Ja, Harry und ich können für morgen eine Tour bei ihm buchen, lediglich wird nicht er, sondern sein langjähriger Partner Ronald vor Ort sein. Auch kann er uns eine Kombination von drei verschiedenen Touren anbieten. Am Morgen eine Kanufahrt durch das Flusssystem, am frühen Nachmittag eine Dschungelwanderung inklusive der Suche nach Baby-Schildkröten am angrenzenden Strand, sowie eine Nachttour, um die Meeresschildkröten bei der Eiablage zu beobachten. Ja, genau das will ich alles machen!!! 🤩 Ich überschlage mich beinahe vor Begeisterung und die Abreise aus dem gemütlichen kleinen Ort Cahuita kann mir jetzt gar nicht mehr schnell genug gehen.
Schutzgebiete in Costa Rica
Meeresschildkröten die ihre Eier am Strand vergraben, frisch geschlüpfte Schildkröten-Babys, die ins Meer krabbeln und abenteuerliche Kanufahrten durch ein Labyrinth von Flussarmen. Es gibt viele Gründe, warum du diesem Schutzgebiet unbedingt einen Besuch abstatten solltest. Alle Infos dazu hier.
Aber zuerst heißt es noch packen. Wir haben uns entschieden nur das Notwendigste nach Tortuguero mitzunehmen. So stopfen wir unsere Daypacks mit der Technik, den Wertsachen und ein paar Kleidungsstücken voll. Der Rest wird in den Trekkingrucksäcken im Kofferraum verstaut und bleibt mit dem Mietwagen am bewachten Parkplatz am Bootsanleger in La Pavona zurück.
Die 3,5 Stunden Autofahrt bis dorthin ist auf dem größten Teil der Strecke ziemlich ernüchternd. Fast hundert Kilometer lang erstreckt sich eine grauenvolle Baustelle auf der Fernstraße 32 von Puerto Limón bis zur Abzweigung in Guápiles. Um 13 Uhr wollen wir das Boot erreichen, das uns von La Pavona nach Tortuguero bringen soll. Das wird eine knappe Angelegenheit, denn ein Truck nach dem anderen verhindert unser zügiges Vorankommen. Kaum verlassen wir die Fernstraße, kehrt die Idylle der Landschaft wieder zurück und wir kommen gut und schnell vorwärts. Kleine Ortschaften wechseln sich hier mit dichten Wäldern, grünen Weideflächen und riesigen Bananenplantagen ab. Und kaum zu glauben, die Straße ist bis zum Bootsanleger durchgehend asphaltiert, obwohl man schon viele Kilometer vorher glaubt, am Ende der Zivilisation angekommen zu sein.
Flussfahrt nach Tortuguero
Am Eingang des großen Parkplatzes reden gleich fünf verschiedene Personen bezüglich der Boot-Tickets auf uns ein und es entsteht eine etwas chaotische Situation. Ich vermute es sind die verschiedenen Kapitäne, die den Transfer mit ihrem Boot anbieten und jeder versucht uns als Kunden zu gewinnen. Als aber der Name unseres Hotels ins Spiel kommt, ist rasch alles geklärt. Wir werden an einen Mann verwiesen, der für uns zuständig ist. Zuerst bezahlen wir die Parkgebühr für zwei Nächte (20 Euro) und für die Hin- und Rückfahrt mit dem Boot (26 Euro für zwei Personen). Danach parken wir unser Auto an der genannten Stelle, nehmen unser Gepäck und gehen zum Hafengebäude, das einen Wartebereich, einen kleinen Supermarkt und ein Kantine beinhaltet. Viel Zeit bleibt uns hier aber nicht, denn schon bald werden wir zum Ufer geleitet, an dem mehrere Wassertaxis liegen. Wir steigen ein, sehen zu, wie die riesigen Koffer und Rucksäcke der anderen Passagiere so verstaut werden, dass das Gleichgewicht des kleinen Gefährtes nicht leidet und dann geht es auch schon los.
Es ist ein wunderschöner sonniger Tag und die Fahrt auf den Kanälen einfach traumhaft. Zunächst präsentiert sich der Fluss recht kurvenreich und schmal. Wir sehen lange Zeit nichts als das dicht bewachsene Ufer, wobei der Dschungel meist bis ans Wasser reicht. Der Kapitän kennt das Gewässer wie seine Westentasche und lenkt das Boot zielsicher an den viele Sandbänke vorbei, die auf unserem Weg liegen. Auf einer von ihnen döst sogar ein großes Krokodil in der Sonne, das sich von uns nicht aus der Ruhe bringen lässt. Auch die vielen verschiedenen Wasservögel, die sich am Flussrand tummeln, sind von unserer Anwesenheit wenig beeindruckt. Es scheint, als haben sie sich alle schon seit Langem an die vorbeifahrenden Wassertaxis mit den neugierigen Touristen gewöhnt.
Je länger die Fahrt dauert, desto breiter und geradliniger wird der Flusslauf. Hier tauchen nun auch vereinzelte bunte Gebäude inmitten der grünen Natur auf. Wir steuern direkt auf ein riesiges Haus zu und wie sich herausstellt, handelt es sich dabei um eine Art Tankstelle für die Boote. Der Kapitän und der Tankwart nehmen sich Zeit, um einige Neuigkeiten auszutauschen. Auch sie lassen sich von uns Passagieren nicht stören. Wir sitzen also brav auf unseren Bänken und warten, bis die Fahrt fortgesetzt wird. Mir soll das nur recht sein. Je länger die Anfahrt dauert, desto mehr Zeit habe ich, all die Eindrücke in mich aufzusaugen. Mir fällt auf, dass hier eigentlich ganz schön viel Verkehr herrscht. Alle paar Minuten kommt ein anderes Wassertaxis an uns vorbei. Irgendwann geht es dann auch für uns wieder weiter und wir legen die letzten Kilometer auf dem wunderschönen Kanalsystem zurück. Nach insgesamt eineinhalb Stunden Bootsfahrt haben wir wieder festen Boden unter unseren Füßen. An der Anlegestelle in Tortuguero erwartet uns ein Hotelangestellter, der uns durch das verwirrende System der Gassen des Ortes zu unserer Unterkunft führt.
Das kleine bunte Hotel El Icaco liegt direkt am Strand, nicht weit vom Nationalpark entfernt. Nach dem Beziehen unseres Zimmers ziehe ich Harry rasch wieder nach draußen, denn im Mandelbaum neben dem Hotel habe ich zuvor schon Grüne Aras gesehen. Und tatsächlich, sie sind noch immer da! Der ganze Baum scheint voll von ihnen zu sein und ihr Geschrei ist unverkennbar. Wir haben Glück, denn kurze Zeit später erheben sich mehr als 20 Tiere in die Lüfte, fliegen über das Dorf hinweg und verschwinden hinter den hohen Bäumen.
Reiseinfos Costa Rica
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Diese Regionen habe ich in
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Ich bin Iris, Gründerin von Travel to Find. Hier dreht sich alles um das Unterwegs-Sein. Um Reisen voller unvergesslicher Momente, die man nicht suchen muss, sondern einfach findet. Und um das Leben selbst, das uns zustößt, während wir uns etwas völlig anderes vorgenommen haben.
Überraschung am Strand
Bevor wir uns dem kleinen Ort selbst widmen, wollen wir unbedingt noch ans Meer, das direkt vor unserer Zimmertür liegt. Immerhin findet hier eines der absolut größten Highlights dieser Region statt. An diesen insgesamt 35 Kilometer langen Strand kommen vier der sechs weltweit vorkommenden Meeresschildkrötenarten, um ihre Nester zu graben und ihre Eier in den warmen Sand zu legen. Ich hoffe inständig darauf, dass wir in den drei Tagen unseres Aufenthaltes irgendwann einmal Baby-Schildkröten zu Gesicht bekommen. Das ist ein großer Traum von mir und seit der Planung des Urlaubes fiebere ich diesem Moment entgegen.
Nun treten wir also auf diesen riesigen Sandstrand hinaus, auf dem weder links noch rechts ein Ende in Sicht ist. Mir wird sofort bewusst, dass wir enorm viel Glück brauchen, um hier auch nur irgendetwas zu entdecken. Die breite Sandfläche ist mit Schwemmholz übersät und das unruhige Meer trägt zum natürlich wilden Charakter dieses Küstenbereiches bei. Wir laufen einfach mal in eine Richtung los, halten die Augen offen und genießen die Naturlandschaft. Immer auf der Suche schweift mein Blick am Boden hin und her, aber wie nicht anders zu erwarten war, entdecke ich keine kleinen Schildkröten, die sich aus dem Sand freibuddeln und in Richtung Meer unterwegs sind. Auch Menschen sind auf der riesigen Strandfläche kaum zu sehen. Deshalb kommt es mir seltsam vor, dass sich in einiger Entfernung eine kleine Traube von ihnen direkt am Rande des Wassers aufhält. Alle schauen auf den Boden und plötzlich bin ich mir sicher, dass sie entdeckt haben, was ich so sehnlichst zu finden versuche. Ich beginne zu laufen, habe aber wenig Hoffnung noch eine Blick zu erhaschen, da sich ja bereits alles nahe an der Wasserlinie abspielt.
Als ich näher komme, erkenne ich im Sand vor ihnen eine einzelne kleine Meeresschildkröte, die darauf zu warten scheint, vom Meer hinausgetragen zu werden. Juhu, mein Traum ist jetzt schon in Erfüllung gegangen!!! 🤩 Immer wieder versucht sie ins Wasser zu kriechen und immer wieder wird sie mit der nächsten kleinen Welle an den Strand zurück gespült. Ich fiebere so sehr mit der Kleinen mit, dass ich die Welt um mich herum völlig vergesse. Jedes Mal wenn sie das Wasser erreicht, habe ich die Hoffnung, dass sie es dieses Mal schaffen wird und lospaddeln kann, aber nach jedem Versuch finde wir sie wieder angeschwemmt am Strand im nassen Sand. Die anderen Leute gehen nach einiger Zeit ihres Weges, aber mir lässt das Schicksal dieser kleinen Schildkröte keine Ruhe. Die sich ständig wiederholende Prozedur sieht extrem kräftezehrend aus und gerade als ich überlege, ob es eine Möglichkeit gibt, der Kleinen irgendwie zu helfen, unternimmt sie einen neuen Anlauf und schwups weg ist sie. Sie hat es endlich geschafft! Und ich juble und springe vor Begeisterung. Es scheint, dass sie eine kleine Kämpfernatur ist und ich wünsche ihr in Gedanken ganz viel Glück auf ihrem weiteren hoffentlich langen Lebensweg im großen weiten Ozean.🥰
Puh, wenn das für alle kleinen Schildkröten eine so schwierig Prozedur ist, dann kann ich ihnen nicht mehr all zu oft zusehen. Das Mitfiebern hat mich einiges an Nerven gekostet. Und ich habe dabei völlig vergessen, dass ich irgendwann den Filmmodus meiner Kamera aktiviert habe. Das Ergebnis ist natürlich absolut unbrauchbar, aber das ist mir egal. Ich habe dieses Erlebnis jetzt sowieso in meinem Kopf und Herz gespeichert und das kann mir keiner mehr nehmen. Außerdem war Harry mit seiner Kamera ja auch live dabei.
Buntes Dorf im Grünen
Nach diesem Erlebnis spazieren wir noch ein Weilchen am Meer entlang, doch schlussendlich zieht es uns dann doch in den kleinen Ort zurück. Das Labyrinth der vielen kleinen Gassen ist am Anfang eine echt verwirrende Sache. Obwohl das Dorf teilweise schon vom Tourismus geprägt ist, hat es sich seinen ganz speziellen Charme bewahrt und ich fühle mich auf Anhieb wohl. Inmitten all der Grüntöne der Natur scheinen die Einwohner leuchtend kunterbunte Farben für sich entdeckt zu haben. Jedes Haus hat einen anderen Anstrich und Malereien oder Skulpturen finden sich an allen Ecken und Enden. Das einzige Fortbewegungsmittel an Land ist das Fahrrad, aber hauptsächlich sind die Leute hier einfach zu Fuß auf den schmalen, gepflasterten oder sandigen Wegen unterwegs. Weit entfernt von Hektik und Lärm entdecken auch wir das Lebensmotto Pura Vida für uns, vergessen die Zeit und genießen einfach den Moment.
In der entspannten und wunderschönen Atmosphäre des Budda Cafés gönnen wir uns nicht nur ein hervorragendes Essen, sondern auch Kaffee und Nachspeise. Die Terrasse liegt direkt am Fluss und wir genießen den Ausblick auf das ruhige Wasser und die grünen Wälder auf der gegenüberliegenden Seite. Einige kleine Geckos versuchen uns die Mücken vom Leib zu halten, bei der Vielzahl an Plagegeistern gelingt ihnen das aber leider nicht wirklich gut. So muss der Mückenspray her. Auch wenn ich die aggressiven Substanzen so gut wie möglich vermeide, ich habe in diesem Urlaub ihre zuverlässige Wirkung doch sehr zu schätzen gelernt. Wir beobachten die Sonne, wie sie immer tiefer sinkt und am liebsten hätte ich hier noch den einen oder anderen Cocktail getrunken, aber wir müssen noch zu Ernesto’s Haus, um alle Einzelheiten für die morgigen Touren zu besprechen. Dort lernen wir erstmals einen gebürtigen Tortuguerianer persönlich kennen – unseren Guide Ronald. Er erklärt uns wie alles ablaufen wird, wann und wo die Treffpunkte sind und dass wir heute noch die Tickets für den Nationalpark online über die SINAC Website kaufen müssen. Das Schönste an seinen Ausführungen ist, dass wir morgen mit ihm alleine unterwegs sein werden, eine Privattour sozusagen. Das wird der absolute Hammer!
So lebendig und bunt das Dorf bei Tageslicht auch ist, nach dem Sonnenuntergang, wirken die Gassen zumindest zu dieser Jahreszeit völlig ausgestorben. Alle Läden geschlossen, in den Restaurants zahlen die letzten Gäste und selbst der noch geöffnete Supermarkt ist nur mehr rar besucht. Schnell wird uns klar, dass es jetzt nicht mehr viel zu sehen gibt und wir machen uns auf den Rückweg zu unserem Hotel. Ich bin froh, dass sich Harry den Weg so gut eingeprägt hat, denn im Dunklen hätte ich mich alleine sicherlich mehrmals verlaufen.
Die Hängematten vor unserem Zimmer laden uns förmlich dazu ein, sich reinzulegen. Und so lassen wir den Tag zufrieden schaukelnd ausklingen. Das einzige erwähnenswerte Erlebnis an diesem Abend ist der kleine Stromschlag, den ich beim Duschen abbekommen habe. Hier in Costa Rica findest du fast in jedem Badezimmer einen Duschkopf mit einem integrierten Durchlauferhitzer, bei dem du die Wassertemperatur einstellen kannst. Und…, nun ja, die Einheimischen haben hier ein etwas anderes Verhältnis zu Strom und Absicherung, als wir sicherheitsbewusste Europäer. Daher kann ich dir nur den Tipp geben: Immer zuerst das Wasser abstellen, bevor du die Temperaturregulierung vornimmst, auch wenn du beim Duschen in Gedanken an die tollen Erlebnisse des Tages versunken bist. Andernfalls geht es dir so wie mir, und du erfährst am eigenen Leib, dass die 120 Volt zwar deutlich weniger als unsere 230 sind, sich aber auch nicht unbedingt angenehm anfühlen… 😵
Mit dem Kanu durch den Dschungel
Es ist schon so hell, dass wir die dunklen Wolken am Himmel erkennen können, als wir am nächsten Morgen um 5:45 Uhr zum Eingang des Nationalparks unterwegs sind. Dieser liegt direkt am Fluss und ein paar vollbesetzte Boote warten bereits auf die Zugangserlaubnis. Die Leute sind nahezu alle in Regenponchos gehüllt, denn die ersten Regentropfen fallen bereits vom Himmel. Harry und ich stehen mit unseren T-Shirts und kurzen Hosen wie fehl am Platz daneben und sind unschlüssig, ob wir uns auch in Regenjacken hüllen sollen. Aber eigentlich ist es uns zu warm und schwül dafür.
Und dann kommt Ronald in kurzer Hose und Shirt angerudert und parkt sein kleines, leeres Kanu gleich neben den großen Booten, die allesamt mit Motoren ausgestattet sind. All unsere Bedenken sind dahin und ich muss lächeln, denn das Bild sieht irgendwie witzig aus. Aber ich bin froh, nach dem Anmeldevorgang in dieses Kanu steigen zu dürfen, es passt genau zu uns. Ronald erklärt uns kurz, wie das Flusssystem hier aufgebaut ist und dann paddeln wir auch schon los. Natürlich haben uns die anderen Boot mit ihren Motoren schnell abgehängt, aber das ist nicht weiter schlimm. Ganz im Gegenteil. Mit einem Paddel in der Hand queren wir den breiten Fluss und im gegenüber liegenden Wald hören wir gleich mal ein Rascheln in den Baumkronen, an dem die anderen einfach vorbei gefahren sind. Eine Gruppe Klammeraffen ist hier unterwegs und die Tiere schwingen sich hoch über unseren Köpfen von Ast zu Ast. Nach der ersten Abzweigung treffen wir dann auf zwei der anderen Boote, die einen Halt eingelegt haben, um einen Blick auf die verschiedene Wasservögel am Uferrand zu werfen. Sie sind aber bereits wieder am Aufbruch, als wir angepaddelt kommen. So können wir den Tieren alleine in aller Ruhe zusehen, wie sie auf den schwimmenden Pflanzen herumsteigen, oder im Schilf nach Nahrung suchen. Ronald erklärt uns viel zu den einzelnen Arten und während wir sie staunend beobachten, lenkt er das Boot langsam um die nächste Biegung.
Unglaublich was seine geschulten Augen alles entdecken. Weit oben auf einem überhängenden Ast liegt ein riesiger, gut getarnter Leguan ganz still und ich entdecke ihn erst, als mir Ronald die genaue Position erklärt. Sein orange gefärbter Kamm signalisiert, dass es sich um ein paarungsbereites Männchen handelt. Daher hält Ronald Ausschau nach dem weniger markanten Weibchen und entdeckt es tatsächlich auf einem naheliegenden Baum dahinter. Durch seine grüngraue Färbung verschmilzt es mit dem Blattwerk und ist für mich noch schwerer zu erkennen. Ronald erklärt uns, dass die Leguane bei seinem Volk auch als „chicken of the tree„, bezeichnet werden, da deren Fleisch sehr ähnlich schmeckt, wie das von Hühnern. Woher er das wisse, sei eine Frage, auf die wir uns selbst eine Antwort geben dürfen.
Es ist ein wunderschönes Gefühl so ruhig über den Fluss zu fahren und von der Geräuschkulisse der umliegenden Natur eingehüllt zu werden. Tropfen fallen von den umliegenden Bäumen und bildet vereinzelte kleine Kreise auf der Wasseroberfläche. Das dicht bewachsene Ufer gleitet langsam an uns vorbei und Dunstschwaden steigen aus dem grünen Dschungel in die Höhe. Der wolkenverhangene Himmel unterstreicht dieses Bild und ich fühle mich in andere Dimensionen versetzt. Begleitet von Vogelgezwitscher und dem beständigen Zirpen der Insekten dringen wir immer weiter in das gigantische System aus Wasser und Dschungel vor.
Und es kommt noch besser. Wir biegen in einen weiteren, viel kleineren Flussarm ein, der mit der Zeit immer schmäler wird, bis wir völlig vom Urwald eingehüllt sind. Hier kann keines der größeren Boote entlangfahren, denn sogar mit unserem kleinen Kanu streifen wir teilweise Baumstämme und große Äste, die nicht weit unter der Wasseroberfläche liegen. Riesige Blätter und Palmwedel hängen so tief über dem Fluss, dass wir uns bücken müssen, um darunter hindurch fahren zu können. Wir überlassen das Paddeln nun Ronald und tauchen voll und ganz in diese andersartige Welt ein. Irgendwann hält unser Guide das Boot an und rudert ein paar Meter zurück. Und wieder hat er etwas entdeckt, das ich selbst mit seiner Anleitung kaum lokalisieren kann. Es sind nur 2 kleine Augen und eine Nase, die aus dem brauen Fluss herausragen. Ein Kaiman liegt keine zwei Meter von unserem Boot entfernt ganz ruhig im Wasser. Er bewegt sich keinen Millimeter, nur sein Blick ist immer auf uns gerichtet, auch noch, als wir nach einiger Zeit dem Flussarm weiter folgen. Irgendwann versperrt uns dann ein riesiger umgefallener Baum den Weg und Ronald wendet das Kanu.
Unter dem dichten Blätterdach treffen wir etwas später auf mehrere Kahnschnabelreiher oder auch Kahnschnäbel genannt. Wir erfahren, dass es sich um nachtaktive Vögel handelt und sie tagsüber in kleinen Gruppen schlafend auf bestimmten Bäumen oder wie hier im schattigen Gebüsch zu finden sind. Während wir die Tiere beobachten, die eine gewisse Skepsis unserem Boot gegenüber zeigen, hören wir auf der gengenüberliegenden Seite seltsame knirschend knackende Laute von hoch oben in den Bäumen. Ronald rudert hinüber und wir starren sehr lange auf das dichte Grün vor und über uns, in dem sich irgendetwas Größeres bewegt oder frisst. Es scheint sich um keine alltägliche Situation zu handeln, denn selbst unser Guide strahlt plötzlich höchste Konzentration und Aufmerksamkeit aus. Noch lange nachdem das Geräusch bereits verstummt ist, lässt er seinen Blick über die Umgebung schweifen. Leider ohne Erfolg. Wir können nur Vermutungen anstellen, was es gewesen sein könnte, aber vor meinem inneren Auge taucht natürlich das Bild eines Jaguars auf. Immerhin ist diese Region dafür bekannt, dass von der größten aller Wildkatze etwa 40 Individuen hier leben.
Wieder zurück auf dem breiteren Kanal paddeln wir weiter bis zu einem großen Baumstamm, der mitten aus dem Wasser ragt. Auf diesem sitzt ein eleganter schwarzer Vogel, der seine Flügel ausgebreitet hat, um sein Gefieder zu trocknen. Er lässt sich von uns dabei nicht stören, obwohl wir ihn sogar einmal vollständig umrunden. „Piano-Bird“ wird er genannt und dies rührt daher, dass die Federn seiner Flügel wie Klaviertasten aussehen. Diese Tatsache wird auch uns bei seinem Anblick klar. Der tatsächlicher Name lautet Amerikanischer Schlangenhalsvogel (Anhinga anhinga). Ein wirklich wunderschönes Tier!
Kurz darauf folgt auch schon das nächste Highlight. Ronald hält das Kanu direkt vor einem Busch an, der über das Wasser hängt. Ich realisiere zunächst nicht, was sich darauf befindet und suche die Bäumen dahinter ab. Deshalb bin ich doch sehr überrascht und auch etwas erschrocken, als ich feststelle, dass auf dem Busch vor mir ein großer Kaiman zwischen den Blättern liegt. Sofort spüre ich wieder diese Unbehagen in mir, wie bei den amerikanischen Krokodilen an der Brücke am Río Tárcoles. Nur dieses Mal befindet sich das Reptil direkt vor meiner Nase, fast zum Greifen nahe. Auf die Frage, ob sich Ronald sicher sei, dass das Tier nicht in unser Boot springen wird, meint er nur, dass so etwas noch nie vorgekommen sei. Aber gleich darauf erzählt er uns, dass sich ein Kaiman einmal so erschreckt hat, als ein Boot seinen Busch berührte, dass es mit einem Ruck ins Wasser sprang. Das wiederum jagte den Bootsinsassen einen derartigen Schrecken ein, dass sie alle auf eine Seite rückten und das Boot kenterte. „Alle wurden nass, aber keiner wurde gefressen“ behauptet er ganz gelassen. Die Art und Weise, wie er die Geschichte erzählt, bringt mich dann doch zum Lachen, aber so richtig wohl fühle ich mich erst wieder, als wir ein paar Meter zwischen uns und den Kaiman bringen.
Bis jetzt hat das Wetter super mitgespielt. Die wenigen kurzen Phasen von Nieselregen haben wir kaum registriert. Jetzt aber verdunkelt sich der Himmel zunehmend und kurz bevor wir uns auf den Rückweg begeben, beginnt es doch noch richtig zu regnen. Da es angenehm warm ist, stört es weder Harry noch mich, dass wir hier völlig durchnässt dahinrudern. Ganz im Gegenteil – das Prasseln des Regens auf der Wasseroberfläche inmitten der dampfenden Urwälder scheint unsere Bootstour nur noch zu vervollständigen. Einziger Wermutstropfen – die Kameras müssen wasserdicht verpackt in den Rucksäcken verbleiben. Lediglich mit unserer Osmo-Actioncam können wir noch ein paar Szenen festhalten.
Als sei das alles noch nicht genug, kommt zum Schluss ein weiteres Highlight hinzu, das nur wenige Besucher miterleben dürfen. Der Anleger von Tortuguero ist schon in Sichtweite, als plötzlich vor uns eine Rückenflosse aus dem Wasser auftaucht und ich über den Regen hinweg ein Geräusch höre, das mir all zu bekannt vorkommt – ein Blas. Ist das wirklich möglich? Delphine im Fluss? Ich frage Ronald, danach und er meint, dass es schon mal vorkommt, aber dass sie eher selten vom Meer bis hierher vordringen. Bald bestätigt es sich aber. Zwei Delphine tauchen immer wieder irgendwo um uns herum auf. Sie scheinen auf der Jagd zu sein, so oft, wie sie die Richtung unter Wasser ändern. Damit habe ich wirklich nicht gerechnet. Wir alleine mit unserem kleinen Kanu auf dem Fluss im strömenden Regen und zwei Delphinen, die unsere Fahrt begleiten. Darf das wirklich wahr sein? Ich komme mir vor wie in einem Traum. Mit dieser spektakulären Sichtung geht unsere ereignisreiche Kanutour zu Ende und wir kehren nach über drei Stunden überglücklich an Land zurück. Wir bedanken uns bei unserem wunderbaren Guide und verabreden uns für 14 Uhr zur nächsten Tour – einer Dschungel- und Strandwanderung im Nationalpark Tortuguero.
Und so geht es weiter
Nicht nur, dass wir eine Schar frisch geschlüpfter Baby-Schildkröten auf ihrem Weg ins Meer beobachten können. Im Nationalpark Tortuguero dürfen wir sogar die Eiablage einer riesigen Meeresschildkröte hautnah miterleben und direkt zusehen, wie die Eier in das Nest im Sand purzeln.