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Roadtrip Frankreich Teil VII

Was bisher geschah

Sand soweit das Auge reicht. Von unseren Erlebnissen auf der größten Wanderdüne Europas, der Dune du Pilat erzähle ich dir im fünften Teil unseres Roadtrips durch Frankreich.

Condom liegt am Weg

„Wie weit ist es denn von hier bis ans Mittelmeer?“ Diese Frage stellt mir Harry an diesem schönen Morgen beim Frühstück. Unser Campervan MoMo parkt am Fuße der größten Wanderdüne Europas und wir blicken direkt auf die vielen Millionen Kubikmeter Sand, während wir unseren Kaffee schlürfen. Dahinter liegt der tiefblaue Atlantik, den wir gestern Abend noch bestaunen durften, als wir barfuß über den kalten Sand liefen. Wir befinden uns gerade an der Westküste Frankreichs und nun wollen wir ans Mittelmeer. Unsere Reisevorbereitungen für diesen Roadtrip durch Frankreich war eine kurzfristig Sache und ich hatte nur einen sehr groben Plan bezüglich der Reiseroute. Ganz nach dem Motto „Schauen wir mal, dann sehen wir schon.“ endet dieser Plan genau hier an der Dune du Pilat. Jetzt eben ans Mittelmeer und der Küste entlang retour. 

Um Harry’s Frage nun beantworten zu können, muss ich selber erst mal googeln. Oh, das ist weiter als gedacht… Je nachdem, wo unser Ziel liegen soll, sind es zwischen 450 und 600 Kilometer. Und da wir über Landstraßen fahren möchten, bedeutet das eine Fahrzeit von sieben bis acht Stunden. Sofort wird der Gedanke lauter, dass wir den einen oder anderen Zwischenstopp einlegen müssen, um nicht den ganzen Tag nur im Auto zu verbringen. Die die grobe Richtung wird festgelegt und nach einer heißen Dusche am Campingplatz brechen wir dann also auf. Wir kehren der Atlantikküste den Rücken zu und dringen ins Landesinnere vor. On the Road again…

Auf unserem Weg liegt Okzitanien, eine Region von der ich zuvor noch nie etwas gehört habe. Nicht verwunderlich, denn der Name existiert erst seit 2016. Was ich darüber lese, klingt aber verlockend, denn rund 40 % des Gebietes bestehen aus geschützten Naturbereichen. Während Harry drauf los fährt und wir einen Kreisverkehr nach dem nächsten hinter uns lassen, versuche ich mögliche Zwischenziele herauszusuchen. Und das Erste springt mir schon nach kurzer Zeit ins Auge. Es ist interessant und witzig zugleich – Condom! Nein, nicht das was du vielleicht gerade denkst. Ganz im Gegenteil, es hat rein gar nichts mit dem berühmten Verhütungsmittel zu tun. Vielmehr handelt sich um eine Bischofsstadt und ist bekannt für seinen Weinbrand Armagnac, Gänseleberpastete und als Geburtsort des Musketiers D’Artagnan. Selbstverständlich muss auch ich bei dem Namen gleich mal lachen. Noch dazu kommt, dass die Stadt am Fluss Baïse liegt und es falsch ausgesprochen „baiser“ das französische Pendant zu „vögeln“ ergibt. Als ich dann auch noch herausfinde, dass aufgrund dieser Zweideutigkeiten, der Ort das weltweit erste Präservativ Museum eröffnete, steht für mich fest, dort müssen wir hin. So viel Humor gehört unterstützt. Leider habe ich das Datum des witzig geschriebenen Artikels auf Spiegel-Online übersehen und so versuchen wir vergeblich das Museum zu finden, welches aber bereits vor vielen Jahren wieder geschlossen wurde. Die Zeit war um das Jahr 2000 anscheinend noch nicht reif für prähistorischen Zeichnungen mit Penis-Schmuck aus Libyen, chinesische Erektionshütchen aus ölgetränkter Seide oder solide Schildpatt-Etuis aus dem alten Japan, die Hausherren ihrer Gefährtin als Dildo zurückließen, wenn sie auf Reisen gingen. Nun, über 20 Jahre später scheint dies kein Tabuthema mehr zu sein, denn mittlerweile gibt es bereits in mehreren größeren Städten Museen, die sich damit beschäftigen. Nur in Condom eben leider nicht mehr. 

Auf der Suche nach diesem Museum streifen wir erfolglos durch viele Straßen und Gassen und kommen auf unserem Weg auch an der Kathedrale Saint-Pierre vorbei. Wir besichtigen den eindrucksvollen Kreuzgang und die vor dem Gotteshaus stehende Bronzestatue von D’Artagnan und den drei Musketieren. Kaum zu glauben bei diesem Stadtnamen, aber Condom liegt tatsächlich am französischen Abschnitt des Jakobsweges und bietet den Pilgern eine Herberge an. Auch bei dieser Information muss ich wieder lauthals auflachen und finde die Ironie äußerst erheiternd.

Ich muss gestehen, die Stadt beeindruckt mich nicht sonderlich. Viele Läden in den Gassen haben geschlossen oder stehen leer und der Lärm von einigen Baustellen ist enorm. Aber das ist eben eine Momentaufnahme und kann in der Hochsaison völlig anders wirken. Eine Sache, die ich mir aber unbedingt aus der Nähe ansehe muss, sind die Reihen von Platanenbäumen, die auf seltsame Weise zurück geschnitten werden und mit Drähten verbunden zu einer Art Geflecht zusammenwachsen. Auf der Fahrt hierher habe ich bereits in mehreren Ortschaften dieses merkwürdige Arrangement bestaunt und mir keine Reim auf dessen Zweck machen können. Eventuell dient es als eine Art „natürlicher“ Sonnenschutz, wenn die Verzweigungen im Sommer belaubt sind? Ich empfinde dieses Baumgebilde jetzt, da ich hier direkt darunter stehe jedoch als äußerst befremdlich und grotesk.

Nach dem obligatorischen Foto der Ortstafel, die in der Vergangenheit übrigens öfter gestohlen wurde, lassen wir die Kleinstadt etwas enttäuscht hinter uns und fahren nördlich an Toulouse vorbei bis zum regionalen Naturpark Grands Causses.

Roadtrip Frankreich

Alle Highlights, die wir auf der Durchfahrt in der eher unbekannten Region entdeckt haben, findest du in diesem Beitrag.

Hi!
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Ich bin Iris, Gründerin von Travel to Find. Hier dreht sich alles um das Unterwegs-Sein. Um Reisen voller unvergesslicher Momente, die man nicht suchen muss, sondern einfach findet. Und um das Leben selbst, das uns zustößt, während wir uns etwas völlig anderes vorgenommen haben. 

Wir sehen Rot

Die Hügeln der Rougier de Camarès liegen im Südwesten des weitläufigen Kalksteinplateaus, welches sich rund um die Schlucht des Flusses Tarn erstreckt. Es ist eine abgelegene und eher dünn besiedelte Region, die mit einem gewaltigen Farbenspiel aufwartet. Die Beschreibungen einer feurigen Mondlandschaft kann ich nicht nachvollziehen. Immerhin haben ich keinen blassen Schimmer, wie es auf dem Mond aussieht. Ich komme mir eher vor, als würde ich mitten durch ein kontrastreiches Landschaftsgemälde fahren. Das satte Grün der Wiesen und Wälder zu dieser Jahreszeit wird immer wieder von Feldern und Flächen dunkelroter Erde durchbrochen. Selbst die Gebäude und Brücken der kleinen Ortschaften fügen sich in unterschiedlichen Rottönen wunderbar in das Gesamtbild ein. Unser heutiges Ziel ist das Château de Montaigut, das auf einem Hügel inmitten dieser farbenfrohen Landschaft liegt. 

Eine große Schafherden verfolgt MoMo mit neugierigen Blicken, als wir uns am Abend auf der kleinen Straße nach oben schlängeln. Selbst sie scheinen von den rötlichen Grundtönen etwas abbekommen zu haben. Was ich zu diesem Zeitpunkt nicht wusste: Diese Schafe sind ganz spezielle Exemplare, genannt Lacaune-Schafe. Sie liefern die Milch für den legendären Blauschimmelkäse Roquefort, der nicht weit von hier erzeugt wird und in den Sandsteinhöhlen dieser Region reift. Wir finden einen Stellplatz oberhalb des Schlosses und genießen den restlichen Abend den Ausblick auf das Tal von Rougier. Eine wunderschöne nahezu unwirkliche Gegend.

Geniales aus Natur und Menschenhand

Am nächsten Morgen hängen leider Wolken und ein Dunstschleier über der Landschaft, die uns den Weitblick verwehren. Beim Frühstück genießen wir dennoch die Ruhe hier oben, die nur von Vogelgezwitscher und dem seltenen Blöcken der weidenden Schafe unter uns unterbrochen wird. Heute haben wir eine kleine Wanderung zu einem Wasserfall geplant, aber zuerst wollen wir noch einen Blick auf die Brücke von Millau werfen. Wir nähern uns von Westen her diesem gewaltigem Konstrukt und finden einen Aussichtspunkt, von dem aus wir die unglaublichen Dimensionen bestaunen können. Das Viaduc de Millau ist nämlich die längste Schrägseilbrücke der Welt. Der höchste Pfeiler ist größer als der Eifelturm und somit das höchste Bauwerk in ganz Frankreich. Auf der Weiterfahrt zum Ausgangspunkt unserer Wanderung am südlichen Ende des Ortes Creissels muss Harry ein weiteres Mal anhalten, denn auch hier eröffnet sich nochmal ein beeindruckender Blick auf die gesamte Länge der Brücke, welche das Tal des Flusses Tarn komplett überspannt. Nach mehreren misslungenen Versuche, das majestätische Gebilde möglichst naturgetreu abzubilden, gebe ich auf und wir fahren weiter zum Parkplatz eines Paragleiter-Landeplatzes. 

Die Wanderschuhe an den Füssen begeben wir uns auf die Suche nach dem Weg zum Cascade de Creissels. Von unserem Startpunkt aus, ist es ist nicht ganz einfach, aber schlussendlich werden wir fündig und kommen am oberen Ende des Wasserfalls an. Hier fließt der kleine Wildbach in einem natürlichen Bachbett mitten durch den Wald. An der Abbruchkante vorne biete sich ein toller Ausblick auf Millau und die umliegende Bergwelt. Auch eine kleine alte Mühle, in der das Mühlrad noch vorhanden ist, finden wir hier in völliger Abgeschiedenheit vor. Jetzt sind wir natürlich schon gespannt auf den eigentlichen Wasserfall

Erneut bedarf es etwas Orientierungssinn, um den richtigen Pfad hinab zu finden. Aber dann hören wir auch schon das Rauschen des herabfallenden Wassers, das auf die moosbewachsenen Felsen trifft. Wir sind hier völlig alleine und können das Naturschauspiel in aller Ruhe genießen. Immer wieder kommt die Sonne zwischen den Wolken durch und lässt einen kleinen Regenbogen in der Luft über unseren Köpfen entstehen. So vergeht die Zeit viel zu schnell und wir machen uns wieder auf den Weg, um aus der Ferne noch einmal einen Blick zurück auf die kleine Mühle und den Wasserfall inmitten dieser beeindruckenden Landschaft zu werfen. 

Wasserleitung mit Stil

Es ist schon Nachmittag als Harry unseren Campervan wieder auf Kurs bringt und wir unser letztes Ziel für heute ansteuern. Rund 200 Kilometer liegen noch vor uns, bis wir zum absoluten Highlight dieser Region gelangen. Der Pont du Gard, ein riesiges römisches  Aquädukt aus dem 1. Jahrhundert. Bereits als wir uns einem der zwei Parkplätze nähern erkennen wir, dass dies eine extrem beliebte Touristenattraktion sein muss. Hunderte Stellplätze für Autos und Busse stehen hier bereit, aber da es bereits nach 18 Uhr ist, sieht alles schon ziemlich verlassen aus. Wir möchten uns gerne die Parkgebühren sparen und suchen nach einem kleinen Parkplatz, den ich in einer Bewertung bei Google Maps gelesen habe. Nach einigem Hin und Her finden wir ihn dann auch und schlendern gemütlich durch riesige, sauber angelegte Olivenhaine. Nach 15 Minuten öffnet sich die Landschaft ganz plötzlich und wir stehen direkt vor dem gewaltigen Bauwerk. 

Bevor wir diese alte Brücke genauer betrachten, ziehen mich aber noch drei einzeln stehende Olivenbäume in den Bann. Schon von Weitem erkennt man, dass sie uralt sein müssen. Ihre Stämme haben einen enormen Durchmesser und die Rinde weist tiefe Furchen auf. Ihr tatsächliches Alter haut mich dann aber dennoch völlig von den Socken. Auf einer Granittafel (die mir eine gute Freundin dankenswerterweise übersetzt hat) kann man nachlesen, dass sie im Jahre 908 in einem Tal in Spanien „geboren“ wurden. 1985 wurde an ihrem damaligen Standort dann eine Autobahn gebaut und die Bäume mussten weichen. Aufgrund ihres hohen Alters wurden fünf von ihnen gerettet und 1988 drei hier gepflanzt. Ich bin völlig überwältigt von der Tatsache, dass ich vor Lebewesen stehe, die fast 1.300 Jahre alt sind. Ich verspüre das unbändige Bedürfnis sie zu umarmen und schreite auch sofort zur Tat. Wie unglaublich ist dass denn!!!! Ich lege meine Hände um einen Baum, der zwei Weltkriege überlebt hat, der Jahrhunderte lang Stürmen getrotzt, Trockenperioden überstanden und Hagel, Schnee und Eis ertragen hat und heute noch immer lebendige grüne Blätter trägt. WOW, ich bin völlig sprachlos (und das kommt wirklich nicht sehr oft vor 😉) und bekomme eine Gänsehaut als meine Finger die Rinde berühren. Harry, der derartige Aktion von mir bereits kennt, lässt sich nicht beirren und versucht einfach diesen für mich so bewegenden Moment einzufangen.

Aber auch der restliche Abend hinterlässt bleibende Eindrücke in meinem Kopf. So majestätisch habe ich mir das Aquädukt, dass den Fluss Gardon überbrückt, nicht vorgestellt. 49 Meter hoch mit insgesamt 52 Steinbögen, die zur damaligen Zeit innerhalb von nur drei Jahren errichtet wurden und das alles für eine Wasserleitung. Noch unglaublicher ist die Tatsache, dass die gesamte Konstruktion ohne Verwendung von Mörtel erbaut wurde. Die Genialität der römischen Baukunst kommt hier vollends zur Geltung und die wunderschöne Abendstimmung setzt dem ganzen noch die Krone auf. 

Der Pont du Gard spiegelt sich im ruhig dahinfließenden Fluss und die tiefstehende Sonne lässt das Bauwerk rötlich leuchten. Es sind kaum noch Menschen unterwegs und Ruhe legt sich über das gesamte Flusstal. Wir bestaunen die römische Meisterleistung von allen Seiten, vom Flussufer aus und von den Aussichtspunkten auf den Hügeln oberhalb. Und als wir schlussendlich über die Brücke selbst spazieren sind wir völlig alleine und außer den Geräuschen der Natur ist nichts zu hören. Ein unvergessliches Ambiente, das wir lange Zeit einfach so genießen. Es ist schon spät, als wir den Rückweg antreten und die Dunkelheit senkt sich bereits über die Landschaft. Daher beschließen wir gleich auf dem abgelegenen Parkplatz zu übernachten und erst am nächsten Tag in die Provence einzutauchen.  

Und so geht es weiter

Rosa Flamingos, weiße Wildpferde und türkisfarbenes Meer. Auch wenn die Felder noch nicht Lila sind, gibt es in der Provence genügend andere Farben zu entdecken. Wo, das erzähle ich dir im achten und letzten Teil unseres Roadtrips durch Frankreich.